Die Melodie des Todes by Wallace Edgar

Die Melodie des Todes by Wallace Edgar

Autor:Wallace, Edgar [Wallace, Edgar]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2012-07-28T11:54:02+00:00


9

Edith wandte sich zu dem wartenden Dienstmädchen.

»Gehen Sie sofort hinaus und holen Sie das Mädchen herein!« sagte sie ruhig.

»Was für ein Mädchen, gnädige Frau?« erkundigte sich die erstaunte Zofe.

»Das Mädchen, das Geige spielt«, entgegnete Edith. »Bitte, machen Sie rasch, sonst geht sie fort.«

Eine plötzliche Entschlossenheit, dieses Geheimnis aufzudecken, durchdrang sie. Wenn sie auch vielleicht eine ungehörige Handlung gegen ihren Gatten begehen würde, so beschwichtigte sie alle Befürchtungen in dieser Hinsicht mit der Erwägung, sie könnte ihm vielleicht auch einen Dienst erweisen.

Die Zofe kam nach wenigen Minuten zurück und führte die Geigenspielerin herein.

Ja, es war das Mädchen, das sie an ihrem Hochzeitsabend gesehen hatte. Im Rahmen der Tür stand es nun da und betrachtete mit freimütiger Neugier die Herrin des Hauses.

»Wollen Sie nicht näher treten?« sagte Edith. »Haben Sie schon zu Abend gespeist?«

»Ich danke Ihnen vielmals«, erwiderte das Mädchen. »Wir essen gewöhnlich kein Abendbrot, aber ich habe reichlich zum Nachmittagstee gegessen.«

»Wollen Sie sich nicht ein Weilchen hinsetzen?«

Mit einer anmutigen Neigung des Kopfes nahm das Mädchen die Einladung an.

Ihre Stimme verriet keinerlei ausländischen Akzent, wie es Edith erwartet hatte. Sie war zweifellos Engländerin, und aus ihrem Ton sprach eine feinere Bildung, als Edith vorausgesetzt hatte.

»Sie wundern sich wohl, warum ich Sie habe holen lassen?«

Das Mädchen lächelte. »Wenn man mich rufen läßt«, erwiderte es ironisch, »so geschieht es entweder, um mich für mein Spiel zu bezahlen oder um mich zu veranlassen, damit aufzuhören.«

In ihren Augen lag aufrichtige Fröhlichkeit; ein Lächeln strahlte über ihr Gesicht und veränderte ihr ganzes Aussehen.

»Ich will beides tun«, sagte Edith, »und außerdem möchte ich Sie noch etwas fragen: Kennen Sie meinen Mann?«

»Herrn Standerton«, erwiderte das Mädchen und nickte. »Ja, ich habe ihn öfters gesehen und für ihn gespielt.«

»Entsinnen Sie sich eines Abends im Juni«, fragte Edith, und ihr Herz schlug rascher bei der Erinnerung, »als Sie unter diesem Fenster standen und eine gewisse« - sie zögerte -, »eine gewisse Melodie spielten?«

Das Mädchen nickte bejahend.

»O ja«, sagte sie überrascht, »natürlich erinnere ich mich an diesen besonderen Abend.«

»Warum besonderen Abend?« fragte Edith rasch.

»Nun, Sie müssen wissen, daß in der Regel mein Großvater für Herrn Standerton spielt, und an jenem Abend war er krank. Er hatte sich beim Rennen eine böse Erkältung zugezogen - wir wurden durch einen Gewitterregen bis auf die Haut naß, nachdem wir in Epsom gespielt hatten -, und deshalb mußte ich hierherkommen und ihn vertreten. Ich hatte gar keine Lust, an jenem Abend auszugehen«, gestand sie mit einem bitteren Lächeln, »und ich hasse die Melodie; aber es war geheimnisvoll und romantisch.«

»Sagen Sie mir nur, was ›geheimnisvoll‹ und was ›romantisch‹ war«, entgegnete Edith.

In diesem Augenblick wurde der Kaffee hereingebracht, und sie goß ihrem Besuch eine Tasse ein.

»Wie heißen Sie?« fragte sie dann.

»May Wing«, erwiderte das Mädchen.

»Nun, May, berichten Sie mir alles, was Sie wissen«, fuhr Edith fort, und schenkte sich auch eine Tasse Kaffee ein, »und glauben Sie mir bitte, daß ich nicht aus Neugierde frage.«

»Ich will Ihnen gern alles erzählen«, sagte das Mädchen kopfnickend. »Ich habe diesen Tag besonders gut im Gedächtnis, weil ich auf der Musikakademie war,



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